Es gibt Ratgeber, die ziehen sich auf ermüdende Weise. Sie vereinen Infos, die man alle schon irgendwo gelesen hat, oder verkünden die alleinige Heilsbotschaft, was dazu führt, dass man einigermaßen verstimmt das Buch zuklappt und sich über die vergeudeten 20 Euro ärgert. Und dann gibt es Ratgeber, die sind wie ein Feuerwerk. Sie sprühen und funkeln bis zur letzten Seite. Dazu gleich mehr.
Vorweg: Sport macht mir keinen Spaß, das ist die reine Wahrheit. Ich gehe ins Gym, tue dort eine Stunde lang unterschiedliche Dinge, die meinen Muskeln redlich zusetzen, fertig. Lust dazu habe ich selten. Worauf ich scharf bin, und zwar richtig scharf, ist das Gefühl „danach“: angenehm müde meinen wohlig durchbluteten Körper zu spüren. Zweitens, gegen das Fortschreiten meiner Hüftarthrose hilft nur Bewegung. Drittens, die vermaledeiten Kalorien! Im Gegensatz zu mir strebt mein Grundumsatz bereits seit längerem dem Ruhestand entgegen – wenn ich also meine Jeans weiterhin zukriegen will, muss ich mich bewegen.
Sie sehen schon: Sport ist bei mir ein reines Um-zu. Mir selbst war das immer etwas peinlich. „Ist halt ein schönes Gefühl hinterher“ als Begründung für regelmäßiges Training erschien mir im Zeitalter der Selbstoptimierung wenig valide, wenn nicht gar suspekt.
Ganz ohne erhobenen Zeigefinger
Zurück zum eingangs erwähnten Feuerwerk. Auftritt Stefan Schneider, Sportwissenschaftler, Theologe und Autor des bewussten Ratgebers mit dem Titel „111 sportliche Impulse, die schlau und glücklich machen“ (erschienen bei Emons). Dem Konzept der etablierten Buchreihe folgend, erhält man 111 Wissens-Snacks, so kurzweilig wie leicht verständlich aufbereitet und durchweg fesch bebildert. Wer nun Tipps aus der Kategorie „Stehen Sie auf einem Bein und zählen dabei in Dreierschritten rückwärts“ befürchtet, liegt völlig falsch – Schneider beginnt mit den gemütlichen Worten „Eigentlich finde ich Sport doof. Anders als andere Menschen habe ich nicht wirklich Spaß am Sport und daran, mich zu bewegen.“
Man möchte ihn stante pede dafür abbusseln, ebenso für die Tatsache, dass er einem auf den folgenden 235 Seiten mit jeglicher Zeigefinger-Moralisierung vom Leibe bleibt. Auch wenn man berechtigterweise anderes annimmt: In diesem Buch geht es kaum um „Sport“. Weder wird man instruiert, täglich Pilates zu betreiben, noch finden sich Anleitungen für die besten Crunches, um in vier Wochen mit einem instagramtauglichen Flachbauch an die Öffentlichkeit treten zu können.
Es geht ums Gehirn
Es geht ums Gehirn, jenen geheimnisvollen Ort, an dem der Modus „schlau und glücklich“ letztlich produziert wird. Um die vielen positiven Effekte, wenn Menschen beginnen, sich zu bewegen. Und sei es nur, 20 Stufen zu Fuß zu gehen, statt die Rolltreppe zu nehmen.
Es geht darum, was unsere kostbaren Gehirnarterien mit Gartenschläuchen zu tun haben – beide bleiben bis ins hohe Alter elastisch, sofern sie regelmäßig schön durchgespült werden.
Es geht um Bewegung als Alters- und Demenzvorsorge und die Tatsache, dass Sport messbar positive Einflüsse auf Demenzerkrankungen hat. Und es geht um unsere Kinder oder Enkel, um deren natürlichen Bewegungsdrang, um die Gefahr geschlossener Schulturnhallen.
Ein Impuls pro Seite, das bedeutet jeweils eine unterhaltsame Dosis Wissenschaft; theoretisch ließe sich die Lektüre also jederzeit pausieren. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass man sich festliest; wo 17 Snacks reinpassten, passt auch noch der 18. hinein, und schon ist man bei Impuls Nr. 47 und weiß nicht, wo die Zeit geblieben ist. Auf jeden Fall kann man sich nach der Lektüre sicher sein, dass Sport entstresst, den Kopf freimacht und der Seele zum Wohlbefinden verhilft. Was zugegebenermaßen auch ein Netflix-Abend auf dem Sofa mit Chips und einem Glas Rotwein zu leisten vermag. Um Sie zu beruhigen: Beides darf, beides kann.
Ein rundum cooles Plädoyer
Stefan Schneider schreibt mit Witz und viel Esprit. Unübersehbar bereitet es ihm großes Vergnügen, uns – nein, eben nicht für den Sport zu begeistern, sondern dessen Bedeutung für Gehirn und mentale Gesundheit zu vermitteln. Damit ist mit den „111 sportlichen Impulsen“ ein rundum cooles Plädoyer für Bewegung gelungen.
Die eingestreuten Anekdoten geben weitere Würze; all das hat man so noch nicht gelesen. Oder wussten Sie, wie es einem am Südpol ohne Fahrrad ergeht? Nun hat der zweifach promovierte Professor Schneider jenseits aller akademischen Meriten offenbar einiges erlebt. Nicht nur, dass er das Thema seines Buches seit 20 Jahren auf vier Kontinenten und sogar an Bord der internationalen Weltraumstation ISS erforscht, auch kann er, auf einem Einrad sitzend, drei brennende Fackeln jonglieren. Insofern kauft man ihm unbesehen ab, was er zum Gefühl der Schwerelosigkeit festhält: Laut Schneider lässt sich dieses etwa so eindeutig beschreiben wie der erste Orgasmus. Nämlich gar nicht.
Ein Buch für alle Fälle
Kommen wir zum Fazit. Falls Sie sich ohnehin gern bewegen und wissen wollen, was dabei „backstage“ im Gehirn passiert, ist das genau Ihr Buch. Falls Sie eher zum Team Bewegungsmuffel gehören, jedoch offen dafür sind, Ihre Einstellung gegebenenfalls zu überdenken, vorausgesetzt, der Argumentationskorridor verläuft überzeugend genug – dann ist das ebenfalls Ihr Buch.
Sollten Sie sich also gerade lebkuchensatt Ihre Mitte tätscheln und denken: Na ja, ein bisschen Bewegung könnte tatsächlich nicht schaden – dann gehen Sie am besten direkt zum Buchladen Ihres Vertrauens, tun Sie es zu Fuß und freuen sich über sich selbst. Und wenn Sie dann ohnehin unterwegs sind, möchte ich Ihnen als 112. Impuls auch die Weihnachtsverschenkung dieses Buches an Ihre Lieben ans Herz legen. Von Ihnen wäre es schlau, die Beschenkten macht es glücklich.
Schon gut, ich hör ja schon auf. Kommen Sie gut durch die Vorweihnachtszeit, mit möglichst viel Freude, Leichtigkeit und Licht im Herzen!
Herzliche Grüße
Ihre Karen Hartig
Stefan Schneider, „111 sportliche Impulse, die schlau und glücklich machen“, erschienen im Emons Verlag (Oktober 2025), 240 Seiten, ISBN 978-3740826376
Beitragsbild: Alex Alvarez (unsplash)



