Aperol mit Alpina-Farben oder: Graulilagrün kommt mir nicht an die Wand!

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Farbverkleckste Waende - Aperol mit Alpina, Blog Karen Hartig

An dieser Stelle sollte eigentlich eine total seriöse Buchkritik erscheinen, aber es herrscht gerade etwas Aufregung hier in meinem Blog: Ich war nämlich im Baumarkt, mein Wohnzimmer braucht einen frischen Anstrich! Und deswegen gibt es heute Unterhaltung 😀

Wer seine Wände streichen will, benötigt Wandfarbe. Zuvor hat man eine Entscheidung zu treffen: Klassisches Weiß oder nicht? Mir schwebte ein Hauch von Farbe vor, hell und freundlich. Nur welche? Eine Weile wandelte ich unschlüssig durch lange Regalreihen mit fertig abgemischten Farben in allen erdenklichen Tönen.

Am Ende des Ganges erreichte ich eine Art Altar, geschreinert von der Firma Alpina. Hier präsentierte das Unternehmen 32 Premium-Farbtöne, die es aktuell auf Deutschlands Rauhfaserwänden verstrichen zu sehen wünscht.

Ich war unmittelbar überfordert. Das helle Gelb war sehr hübsch, ja, aber das Hellgrau schicker. Oder vielleicht doch lieber Apricot?

Freundlicherweise besaß der Alpina-Altar hölzerne Fächer, in denen jedem Farbton eigens gedruckte Postkarten zugeordnet waren. Diese konnte der geneigte Kunde zwecks Tageslichtbetrachtung und -überlegung mitnehmen. Ich war sehr geneigt, nahm sie also alle mit.

Von wegen „mittelgrau mit lila Stich“

Abends hatte ich dann ein Date mit 32 Farbkarten und einem Glas Aperol, draußen auf meinem sommerlichen Balkon. Alles war gut. Bis ich meine Brille aufsetzte und einen genaueren Blick auf die erste Karte warf. In meiner Wahrnehmung handelte es sich um ein etwas undefinierbares Mittelgrau mit lila Stich.

Falsch. Ganz falsch. Farbton No. 18 trug den schwerwiegenden Namen „Dezente Opulenz – Charmantes Lavendel“.

Vor Schreck ließ ich die Karte fallen. Eine zischlautdurchsetzte Farbe, die so klingt, als zupfe der violettgewandete Kaiser Nero gerade auf einer Lyra herum, kommt mir nicht an die Wand.

Das Fallenlassen nutzte nichts. Denn nun hielt ich einen „befreiten Feuervogel“ in der Hand. Matt, platt und im Postkartenformat. Glauben Sie mir, das ist ein denkwürdiges Gefühl. Die folgende Karte „Hüterin der Freiheit – Edelmütiges Patinagrün“ sprengte meinen Vorstellungsrahmen endgültig.

Edelmütiges Patinagrün. Echt jetzt, Alpina??

„Hier ist Alpina, mach es elegisch!“

Ich habe ja keine Ahnung, was sie bei Alpina getrunken haben, als es um die Namensgebung der neuen Farbtöne ging. Angesichts der Karten ist jedoch wahrscheinlich, dass der Assistent des Creative Directors einen hippen Germanistikstudenten (4. Semester, „Romantik und Blaue Blume“) aus dem Hörsaal gezerrt und ihm aufgetragen hat: „Du bekommst Geld. Du kannst zwischendurch kickern. Aber MACH ES ELEGISCH!“

Ich schlief sehr unruhig. Nachts träumte ich von einem nierenförmigen Bett in „grazilem Graulila“. Vielleicht war es auch ein „melancholisches Mittelgrau“, so genau lässt sich das nicht mehr sagen. Ehe ich Gefahr lief, im Traum auch noch Zacharias, dem zärtlichen Ziegenbauer zu begegnen, wachte ich zum Glück auf.

Kaffee. Frühstück. Erste Zwangsgedanken stellten sich ein: Würde es gelingen, aus nichts als dem gesammelten Farbton-Bullshit eine Kurzgeschichte zu schreiben?

Das zweite Alpina-Date: Jetzt müssen Sie stark sein

Ich fürchte, Sie müssen jetzt sehr, sehr stark sein. Denn gestern Abend hatte ich ein zweites Date mit den 32 Farbkarten, draußen auf dem Balkon. Und mit meinem Laptop.

„Im Ausklang des Sommers verbrachte die Elfenbein-Rebellin die letzten Stunden des Tages auf ihrem Balkon. Die Holzplanken unter ihren nackten Füßen waren noch so warm wie die Erde des Südens. Neben ihr ein Tischchen mit einem Glas Aperol, einigen Oliven und einem Schälchen Hummus. So saß sie da, bei Kerzenschein und in dezenter Opulenz, und genoss die Poesie der Stille. Am Horizont ein Zartes Leuchten, dort, wo einige Wolken in Rosé sich bauschten und der letzte Glanz des Sonnenkönigs zu erahnen war.

Sie trank einen Schluck Aperol. Wie ein befreiter Feuervogel sank die Sonne nun herab, so schwelgerisch schimmernd, als sähe man dem Spiel der Korallen im Ozean zu. Eine feine Spur vom Duft des Orients stieg ihr in die Nase, während sie ein wenig vom Hummus aß.

Ach, welch Genuss! Unversehens fühlte sie sich wie auf den Dächern von Paris. Und als sie nun zu einem Buch griff und den einen oder anderen Vers in Pastell las, verfasst von einem berühmten Dichter der Erde, bemächtigte sich ihrer eine Art eleganter Gelassenheit.

Nebenan auf dem Nachbarbalkon hörten sie Lana del Rey. Die Melodie der Anmut passte perfekt zu diesem leisen Moment voll zarter Romantik. Und hoch über den Dächern von Köln wusste die Elfenbein-Rebellin endlich: Sie war die Hüterin der Freiheit!

Beseligt trank sie noch einen Schluck Aperol.

Bis auf einen schmalen Streifen am Horizont, getaucht in die Farbe der Könige, war es nun dunkel geworden und der Himmel nichts als eine steinblaue Schönheit. Was für eine Nacht! Erinnerungen an den Zauber der Wüste, damals vor Jahren in Marokko, wurden in ihr wach. Als unversehens eine kühle Brise aufkam, dachte sie an den kommenden Sonnenaufgang, wenn wieder sanfter Morgentau auf dem Rasen des Innenhofs läge, an den bevorstehenden Herbst mit seinem Nebel im November, an den Winter und an das Erwachen des Frühlings, der mit Flügeln in Smaragd die Zeit der Eisblumen endlich wieder ablösen würde.

Halt, noch war es ja Sommer! Sie verfiel in eine kleine Träumerei; tanzen wollte sie nun, leicht und lebendig, den Tanz der Sehnsucht, den jeder kennt. Käme doch jetzt nur ein Mann auf ihren Balkon!, am liebsten ein stolzer Wellenreiter, dessen kühne Augen vom Licht der Gletscher kundeten, von der Stärke der Berge und von der Ruhe des Nordens, und dann würden sie mit weitausschreitenden Schritten sich biegen und wiegen im Rhythmus eines leidenschaftlichen Tangos, so wie Richard Gere und Jennifer Lopez in „Shall we dance?“

Doch ach. Vier Quadratmeter Balkon. Kein Tanz, der je auf diesem Balkon getanzt werden konnte. Und Richard Gere kam auch nicht vorbei.

Sie löschte die Kerze. Morgen würde sie bei Alpina anrufen und Farbton No. 33 einreichen: „Tanz der Wollmäuse – Wieselndes Weißgrau.“

 

Es grüßt Sie herzlich, heute in extravagantem Blaugrün,
Ihre Karen Hartig

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(Titelfoto: Alejandro Alvarez | unsplash.com)

 

Kommentare 6

    1. Autor
  1. Ich schmeiss mich weg 🙂 ist das herrlich geschrieben!
    Ich saß mit auf dem Balkon und konnte mir jede einzelne Farbe vorstellen, bin mit in den Sonnenuntergang geschwebt und habe mit Richard getanzt 🙂
    wundervoll!
    und musste an Loriot denken: „nimm das frische steingrau, in lila bringen sie sich um“
    ich vermute, ich werde noch eine Weile vor mich hin kichern 🙂
    Danke für die tolle Geschichte!

    1. Autor

      Liebe Bärbel, ich freue mich, dich zum Lachen gebracht zu haben! Mit dem „frischen Steingrau“ muss ich allerdings noch sehen, so als Elfenbein-Rebellin…. 😀

    1. Autor

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